Santesas Dämon und der Portiunkula-Ablass

Quellen

Bild des Dämons: Wikimedia (verlinkt im Artikel "Demon" der englischsprachigen Wikipedia)

Bild des heiligen Franz von Assisi: Wikimedia (verlinkt im Wikipedia-Artikel "Franz von Assisi")

Bild der Portiunkula: Wikimedia (verlinkt im Wikipedia-Artikel "Portiunkula")

 

Text: Bartholomäus von Pisa: "De conformitate vitae Beati Francisci ad vitam Domini Iesu", Analecta Franciscana, Tomus V, Seite 43, Zeile 20, bis Seite 48, Zeile 27.

 

Ich bringe hier nur meine Übersetzung ins Deutsche.

Die Ausgangssituation im Gesamtwerk

Der heilige Franz von Assisi war im Auftrag Gottes zu Papst Honorius gegangen, um sich den von Gott gewünschten vollkommenen Ablass, den wir inzwischen als Portiunkula-Ablass kennen, geben zu lassen. Kaum hatte ihm der Papst im Beisein der Kurie von Perugia diesen zugestanden, war er auch schon wieder fortgegangen. Das Wort eines Papstes genüge schließlich. Dabei war noch nicht einmal der Tag des Ablasses festgelegt, was aber später nachgeholt wurde. Franziskus hatte also kein versiegeltes Schreiben, kein "Privileg", von dem später noch die Rede sein wird, in der Hand. Und so herrschte Unklarheit darüber, ob besagter Ablass nun wahr ist oder nicht.

Bartholomäus von Pisa nun führt 12 Belege für die Wahrheit des Portiunkula-Ablasses an. Als achten Beleg bringt er den Beweis durch Dämonen, zuerst und sehr ausführlich aufgrund der Aussagen eines Dämons in einer Frau namens Santesa, dann aber noch zusätzlich auf der Basis eines Kurzberichtes über das Ausfahren eines anderen Dämons, der den Portiunkula-Ablass zu testen beauftragt war.

Santesas Dämon über den Engelsturz, die Strafabstufungen der Hölle, den heiligen Franziskus und den Portiunkula-Ablass

Der Inhalt in Kürze: Eine Frau namens Santesa verwundert ihre Hörer zunächst durch ihre Weisheit und erklärt auf Befragung des Priester Jakobus, dass sie ihr Wissen vom Himmel habe, aus dem sie mit Luzifer und vielen anderen Engeln vertrieben worden sei. Der Priester nutzt die Situation und zwingt den Dämon zur Preisgabe vieler interessanter Dinge, wobei ihm die Bestätigung der Wahrheit des Portiunkulaablasses am wichtigsten ist. Wir hören auch vom Engelsturz und den Strafstufen in der Hölle. Am interessantesten ist aber die Aussage, dass Franziskus den Thron Luzifers erhalten hat. Die heftigen Reaktionen des Dämons, der sich anfangs ganz höflich gibt, werden eindruchsvoll geschildert. Das Erlebte hilft den anwesenden Personen, sich beim Streit über den Portiunkulaablass mit anderen Personen durchzusetzen.

Teilüberschriften: Die Teilüberschriften gehören nicht zum Text des Bartholomäus von Pisa. Dieser ist in dunkelroter Farbe geschrieben. Man sollte sie beim Lesen der ganzen Geschichte ignorieren; sie stören nur den Lesefluss. Sie dienen nur dazu, um sich nachträglich über das Gelesene schnell einen Überblick verschaffen zu können.

Ort, Datum und Vorstellung der Personen

Achtens wird die Wahrheit dieses Ablasses (des Portiunkula-Ablasses, erwerbbar am 2. August) durch das Zeugnis der höllischen Dämonen gezeigt, die, wenn auch unfreiwillig, dennoch die Wahrheit dieses Ablasses preisgegeben haben, von Gott dazu gebunden. Man muss da wissen, dass am 22. Februar 1308, zur Vigil des heiligen Apostels Matthias [das Matthias-Fest ist heute aber (nach dem Kalender vor der Liturgiereform )am 24. Februar], ein gewisser Bruder Jakobus, Priester und Kaplan der Kirche des heiligen Jakobus vom heiligen Rafael nahe bei Bologna, ein Mann rechtschaffen und vertrauenswürdig wegen seiner großen Hingabe und Ehrbarkeit, Bruder Benvenutus vom dritten Orden des seligen Franziskus, Bruder Lorenz von Sankt Agnes, Herr Peter Lellus und Paul der Apotheker, alles gottergebene und vertrauenswürdige Männer, sich in Bologna getroffen haben, um nach Ravenna zum Ablass des heiligen Evangelisten Johannes zu gehen.

Und als sie dort angekommen waren, wurden sie im Haus einer gewissen Dame, reich, ehrbar, den Bürgern und vielen Amtsträgern öffentlich bekannt, bewirtet; ihr Name war Santesa. Und zugleich mit ihnen waren 13 Männer der Stadt Bologna bewirtet worden.

Verwunderung über Frau Santesas Weisheit

Während aber all die erwähnten Männer speisten und die Ebenerwähnte mit ihnen, fing diese Dame selber gelehrsam zu sprechen an, so geordnet und weise und tiefgehend über viele und verschiedene Inhalte, dass sie alle Hörer in ihren Bann zog und deren Denken in Staunen verwandelte. Einer der zu Tische Sitzenden, mit Namen Jakobus von Bologna, wandte sich jedoch an den vorhin erwähnten Bruder Jakobus den Priester und sagte ihm voller Verwunderung: „Höre, wie diese Frau da spricht!“ Der antwortete: „Ich höre und wundere mich gewaltig. Aber weil ich ein Stümper bin, vermag ich es weder sie selbst zu verstehen noch ihren tiefgehenden Reden zu antworten.“

Die Größe des Franziskaner-Ordens

Und jene antwortete auf der Stelle: „Wohl glaube ich, dass ihr mir nicht zu antworten wisst, denn wären hier alle Weisen der Minderen (= Minderbrüder = Franziskaner), die heute die Besseren und Weiseren der Welt sind, und wären hier alle Besseren und Weiseren des Ordens der Prediger (= Dominikaner), ich allein würde sie alle verwirren durch die Schrift.“ Darauf sagt ihr der Priester: „Ist der Orden der Minderen besser als der Orden der Prediger?“ Sie antwortet: „So ist es.“

Die drei Orte, wohin die gefallenen Engel gestürzt wurden

Peter Paul Rubens (ca. 1619): Höllensturz (Quelle: Wikipedia)

Er fragte, wo sie solches gelernt hätte. Sie antwortete: „In der Schule des empyräischen Himmels, dem Himmel, von dem freilich ich hinausgeworfen worden bin, zusammen mit Luzifer und vielen anderen wegen eines einzigen Gedankens, in dem wir alle übereinstimmten. Denn der hochheilige Michael nahm das Gefecht gegen uns an und errang letztlich den Sieg gegen uns und über uns; und uns alle hat er vom Himmel hinausgetrieben. Dennoch wurden einige von uns in diese Luft hingeworfen, wo wir bewirken, dass viele sündigen, andere wurden (kopfüber) in die unteren Teile der Erde gestürzt, wieder andere aber weit in die Tiefe der Hölle versenkt.“

Die Strafstufen verschiedener Personengruppen in der Hölle

Da sagte der Priester: „Sind Letztere in den tiefsten Teil der Hölle hinuntergestürzt?“ Es antwortete der Dämon, der in ihr war: „Sind sie nicht; sondern die falschen Christen sind unterhalb ihrer und sogar unterhalb aller Ungläubigen (Treulosen), die alle ihre Füße über den Häuptern eben dieser falschen Christen halten. Und alle Scheiße und all der andere Unrat von allem, was sie sich zugezogen haben, fließt über sie, deswegen, weil sie nicht die Gnade der Berufung ihrer selbst wahrgenommen haben. Und sowie sie vor allen Geschöpfen durch einzigartige Berufung und Gnade erhöht gewesen sind, so sind sie tiefer in die Hölle eingesenkt und von größeren Strafen heimgesucht als alle Dämonen und alle ungläubigen Seelen.“ Hieraus also erkannten alle, die anwesend waren, dass es ein Dämon war, der durch die Frau sprach.

 

Anmerkung: Aus der Geschichte erkennen wir folgende Straf-Abstufungen:

1. Am stärksten werden bestraft: die falschen Christen.

2. Am zweitstärksten wohl: die Ungläubigen (Treulosen).

3. Am drittstärksten erst: die gefallenen Engel.

Mit den falschen Christen dürften vor allem diejenigen gemeint sein, die die katholische Lehre verdrehen, um etwa den Menschen zu gefallen. Man versteht nun auch besser, warum sich die Dämonen so bemühen, so danach geifern, Menschen in die Hölle zu schleusen. Sie sind ihre ewigen Trophäen; über ihnen sitzen sie schließlich.

Detaillierte Beschreibung des Geschehens einer bestimmten heiligen Messe

Nach dem Essen aber rief sie [gemeint ist Frau Santesa, in der der Dämon steckt] der genannte Priester, nämlich Bruder Jakobus, und lud sie ein, dass sie sich ein bisschen neben ihn setze. Sie winkt ab und sagt: „Nicht bin ich würdig das zu tun, denn Ihr seid ein geweihter Priester des Herrn. Da sagte der Priester zu ihr: „Woher weißt du, dass ich ein Priester bin?“ Darauf antwortete der Dämon: „Weil Ihr um das Fest des heiligen Michaels die erste Messe in Bologna gesungen habt, und ich war dort anwesend. Und Bruder Jakobus von Pozali hat eben da in der Domus Devotorum („Haus der Gottergebenen“) gepredigt. Bruder Wilhelm von Cortemilia (?) war euer Magister (andere Version: „minister“ = Diener) in dieser Messe, und Bruder Petrus von Ravenna und Bruder Wilhelm von Bertinoro waren die Kantoren.“ Und so beschrieb er alle Mitwirkenden, den ganzen Vorgang und den Ausgang der Messe der Reihe nach sowie das übrige Drumherum äußerst wahrheitsgetreu. Und abermals sagte er dem Priester: „Ihr seid neunmal bei einem gewissen Ablass gewesen, den es im Spoletanischen Tal neben Assisi gibt, und beim dritten Mal waren eure zwei Schwestern dabei und haben euch unterwegs äußerst stark bedrängt.“

 

Makarius’ Einigungsversuch zwischen Gott und dem Teufel

Und er fügte hinzu: „Ihr habt auch mehrere Male den genannten Bruder Jakobus von Pozali in Bologna predigen gehört, dass der heilige Makarius eine Einigung zwischen Gott und dem Teufel erwirken wollte. Und der Herr sagte zu Makarius: „Wenn der Teufel seine Schuld aussprechen will, werde ich seiner schonen.“ Da wandte sich Makarius wieder an den Teufel und berichtete ihm jene Worte, die der Herr gesagt hatte. Es antwortete der Teufel: „Niemals werde ich meine Schuld aussprechen; im Gegenteil: der Gekreuzigte selbst muss vor mir die Knie beugen und mir seine Schuld sagen, weil er selbst mich so viele Jahre in der Hölle festsitzen lässt.“ Darauf sagte Makarius: „Geh, Satan!“ Und er vertrieb ihn. Der aber erschien ihm nie wieder.“

 

Uns so erklärte besagter Dämon vieles, was sich ereignet hatte, der Reihe nach jenem Priester äußerst wahrheitsgetreu.“

Die Wahrheit über den Ablass des Evangelisten Johannes

Danach, während alle anderen zuhörten, sagte der erwähnte Priester zu ihm: „Ist  jener Ablass, um dessentwillen wir hierher nach Ravenna gekommen sind, echt?“ Der antwortete: „Ihr wisst dies sehr wohl, weil ihr gehört habt, dass das in Bologna vom Herrn Bruder Johannes vom Prediger-Orden, Doktor der Theologie und Bischof von Bologna, gepredigt worden ist. Er sagte nämlich, dass es ein Ablass von 3 Jahren und 120 Tagen sei. Aber die Stunde des Ablasses gibt es nicht, außer zur Mitternacht. Zu jener Stunde werde ich euch rufen. Dann werden die Domherrn (?; „canonici“) feierlich die Reliquien zeigen und den Ablass von Schuld und Strafe predigen. Aber sie selbst werden durch die Kehle lügen, weil es ihn nicht gibt, außer in dem Ausmaß, wie ihr ihn in Bologna gepredigt werden gehört habt. Aber siehe, ich sage es euch voraus, denn nach euch werde natürlich ich dort hinkommen.“ Und sowie er [der Dämon bzw. sie, in der Dame] es vorausgesagt hat, rief er sie und ging nach ihnen, und zudem sahen und hörten sie selbst alles buchstäblich so, wie er es vorausgesagt hatte. Dann sagt ihm der oben erwähnte Priester: „Wie ist denn dort so wenig vom Ablass, hat doch der selige Johannes persönlich jene Kirche in einer solchen Nacht geweiht?“ Da antwortete der Teufel: „Wahr ist es, dass der selige Johannes sie geweiht hat. Dennoch gibt es dort nicht mehr vom Ablass, und er möge euch nicht wenig erscheinen, denn wenn jemand einen so großen Zeitraum im Fegefeuer verbleiben müsste, durch jenen Ablass würde er von den Strafen befreit werden.“

Der Fleischmarkt der Hölle

Während jene die oben erwähnten Worte sprachen, schwor irgendeiner von der Familie oder den Umstehenden verwirrten Geistes beim Blute Christi. Und auf der Stelle grunzte jene Dame schrecklich in sich selbst hinein und sie schien sich ganz zerfleischen zu wollen. Folglich sagte der Priester zu ihr: „Warum braust du so auf und schreist du so?“ Und während er die Hand der Frau stark schüttelte, sagte er: „Tu keiner Christin weh!“ Und dann hörte der Dämon auf der Stelle mit diesem Grunzen und Geschrei auf und sagt: „Was mich betrifft: ich erschrecke und wundere mich über diesen Sünder da, der so unverschämt und ehrfurchtslos namentlich das Blut des Gekreuzigten genannt hat, welcher die Sünder so geliebt hat, dass er für ihr Heil und ihre eigene Erlösung sein ganzes Blut ausgießen und gleichsam ein einziges Bad aus diesem Blute machen wollte, in welchem sie selbst von allen Sünden gewaschen würden, obwohl doch bereits ein Tropfen jenes Blutes zur Erlösung des ganzen menschlichen Geschlechts genügt hätte.“ Weiter sagt er: „Sobald das Blut des Gekreuzigten genannt wird und sobald das Glöcklein geschlagen wird, das der Kleriker vor dem Priester trägt, der den Leib des Herrn Jesus Christus dem Schwachen gibt, kniebeugen sich alle Dämonen der Hölle, sowie geschrieben steht: „Jedes Knie beuge sich!“ usw. Und da nun hat jener Sünder so ehrfurchtslos und tadelnswert das Blut selbst genannt; deswegen machen über eben diese einen ganz großen Fleischmarkt in der Hölle, weil sie das Blut Jesu Christi, des Gekreuzigten, so tadeln.

Verweis auf Konrad von Offida betreffs des Portiunkula-Ablasses

Dann sagt der Priester: „Ich will, dass du mir von jenem Ablass, von dem du gesagt hast, dass ich neunmal zu ihm gegangen bin, sagst, ob du auch die Wahrheit gesagt hast und ob er von solcher Art und so groß ist, wie er von den Minderen Brüdern gepredigt wird. Es antwortete der Dämon: „Ihr werdet dies niemals durch mich erfahren! Ihr habt nämlich dreimal jenen Bruder Konrad von Offida vom Orden der Minderen über genau diesen Ablass sprechen gehört. Der hat fünf Tote auferweckt, und ihr seid da gewesen, als er einen von ihnen auferweckt hat; und das Grab jenes Verstorbenen habt ihr bereits zum dritten Mal besucht. Er selbst ist ein großer Herr im Himmel. Und sowie er von jenem Ablass gesprochen hat, so ist es.“

Die Hinterfotzigkeit (oder Klugheit?) des Priesters Jakobus bei der Erpressung der Wahrheit über den Portiunkula-Ablass aus dem Mund des Dämons

Da sprach zu ihm wiederum der Priester: „Ich will allerdings die Wahrheit aus deinem Munde wissen, weil ich mit diesen Worten nicht zufrieden bin.“ Da antwortete der Dämon, indem er unter lautem Geschrei sagte: „Ihr werdet dies niemals von mir erfahren, und auch nicht irgendein anderer. Sogar wenn der Gekreuzigte herabstiege und die ganze Welt zugrunde gehen müsste.“ Der Priester aber sagt ihm: „Was ist es, was du mehr fürchtest als alles andere?“ „Das Leiden des Herrn Jesus Christus“, antwortete der Dämon, „und es ist das Blut Chrsti.“ Also sprach der Priester zu ihm: „Ich beschwöre dich also durch den Gekreuzigten selbst und durch sein Leiden und das kostbarste Blut, von dem ein einziger Tropfen zum Heil der ganzen Welt reicht, dass du uns ausdrücklich sagst, ob jener Ablass so ist, wie man von ihm spricht.“

Der Dämon fängt zu duzen an

Nun fühlte sich der Dämon durch diese vom Munde eines gottergebenen Priesters vorgetragene Beschwörung heftiger gebunden und antwortete voller Wut und Jähzorn folgendermaßen: „Bis eben noch habe ich dir Ehre erwiesen mittels der Anrede „Ihr“, betreffs des Übrigen aber werde ich nicht so sprechen, sondern werde „du“ sagen.“

Fleischmarkt und Schlürfen der Erde

Während er aber dies sprach, schien er den Körper jener Frau ganz zu zerfetzen, und er stieß ein solches Brüllen dermaßen schrecklich aus, dass alle stockten, sich fürchteten und unter Schreien sagten: „Die Erde insgesamt zittert unter uns.“ Es schien nämlich, als wollte die Erde sich öffnen und alle hinunterschlürfen. Da bezeichneten sie sich mit dem Kreuzzeichen und sofort fassten sie Sicherheit, und alle Furcht und alles Zittern war gänzlich abgeworfen und in die Flucht geschlagen.

Das Ergebnis der Erpressung

Der Dämon aber schrie nun ganz laut auf und sagte dem Priester Folgendes: „Du tust mir Gewalt an. Nicht kann ich schweigen. Es zwingt mich der Gekreuzigte. In jenem Ort ist ein Ablass von Schuld und Strafe.“ In diesem Zustand nun verdeutlichte er das Geäußerte ungestüm viermal mit ganz hoher Stimme: „Dass, wenn ein einziger Mensch alle Menschen auf der Welt mit eigener Hand getötet hätte und just am Tag des Ablasses an dem Ort ankommt, wahrhaft zerknirscht und eine Beichte abgelegt, seine Seele sofort bei Betreten jenen Ortes dort von jeder Sünde gereinigt würde, sowie die Seele eines getauften Kindes bei der Taufe vollkommen gereinigt wird. Wenn aber jemand auch nur einen einzigen Denar, der ihm nicht gehört, besäße und ihn wissentlich und boshafterweise  behielte, nichts wäre ihm jener Ablass wert.“

Ersetzung des Ablasses vom Grab Jesu durch den Portiunkula-Ablass wegen des heiligen Franziskus

Und er fügte hinzu: „Zugrunde gerichtet ist jener Ablass des Grabes jenseits des Meeres, und deswegen wollte der Gekreuzigte wegen seiner Liebe, die er zu den Christen hat, dass er diesseits des Meeres sei, und dieser Stomachosus (= der Ärgerliche; der einem im Magen liegt) da ist so freundschaftlich verbunden gewesen mit dem Gekreuzigten und in diesen selbst umgeformt, dass der Herr durch ihn die Christen retten wollte.“

Die Außerordentlichkeit des heiligen Franziskus und der Vergleich mit den Aposteln

Als Antwort darauf rügte der Priester den Dämon, indem er sagte: „Warum nennst du den seligen Franziskus Stomachosus?“ Da antwortet der Dämon mit lautem Geschrei: „Weil selbst er vom Samen eines Mannes und einer Frau empfangen wurde, sowie die übrigen Menschen, und sich dennoch in einem solchen Maße erniedrigt hat, dass er infolge einer außerordentlichen Angleichung an den Gekreuzigten, die er in seiner Seele und seinem Körper hervorgebracht hat, es verdient hat, mehr als alle Menschen erhöht zu werden. Man darf dennoch sagen, dass der selige Johannes ein größerer Heiliger sei; er kommt ja im Paradise nach der Mutter des gekreuzigten Herrn. Dennoch geht jener Stomachosus mit seinen Brüdern ausgerollten Banners im Himmel voran, hinter allen heiligen Aposteln.

Die Qual, dass Franziskus den Throns Luzifers erhalten hat

Ältestes, noch zu Lebzeiten entstandenes Bild des heiligen Franziskus von Assisi

Er selbst nämlich hat erhalten jenen glorreichen Stuhl Luzifers, unseres Fürsten, und deswegen können wir ihn eben nicht nur nicht bei seinem eigenen Namen nennen, sondern hassen ihn mehr als alle anderen Heiligen.

Mehr noch: dadurch, dass wir erkennen, dass gerade er auf jenen erwähnten Thron Luzifers emporgehoben ist, werden wir mehr gemartert und von jenem seinen Ruhm und seiner Erhabenheit mehr zerschmettert als vom höllischen Feuer.“

Die Friedlichkeit des Dämons - seit 18 Jahren unerkannt

Da sprach der Dämon wiederum zum Priester, ohne irgendwie befragt worden zu sein: „Ich meinerseits habe lange in dieser Frau in großem Frieden und tiefer Ruhe gewohnt, und nicht verbiete ich es ihr, zu den Messen, zu den Predigten und zu den Ablässen zu gehen, und auch nicht im Tod werde ich sie belästigen, weil ich im Frieden mit ihr gewesen bin. Am vierten Tag vor ihrem Tod aber werde ich von ihr getrennt werden, und niemals habe ich irgendjemandem von der Welt klar gemacht, dass ich in ihr bin, außer dir.“ Es was nämlich der Dämon über 18 Jahre in ihr gewesen, und das hatte keiner jemals gründlich untersucht. Folglich sagte ihm der Priester: „Warum dann nur hast du mir das gesagt?“ Da antwortete der Dämon: „Weil mich der Gekreuzigte gezwungen hat, selbst mich dir deutlich zu zeigen, damit ich die Wahrheit jenes Ablasses dir geradezu offenbare.“

Kein Ablass-Privileg für Franziskus wegen seiner Stigmata

Danach fragte ihn der Priester: „Warum hat der selige Franziskus nicht ein Privileg von eben diesem Ablass erhalten?“ Daraufhin schlug sich jene Frau vermöge des Wirkens des Dämons heftig mit der Hand die Seite und die Innenflächen ihrer beiden Hände, freilich die Innenflächen der einen Hand mit den Fingern der anderen Hand, und die Füße. Darüber verwundert sagte der Priester: „Was bedeutet das, was du gemacht hast?“ Und es antwortete der Dämon: „Zwei nur sind Bezeichnete im Himmel, der Gekreuzigte natürlich und jener Stomachosus (= der Ärgerliche; der einem im Magen liegt).“ Es wusste also der Gekreuzigte, dass er jenem Stomachosus das Siegel seiner eigenen Stigmata geben wird, und so hat er es ihm nicht gestattet, ein anderes Privileg oder ein von Menschenhand hergestelltes Siegel zu empfangen. Denn sowie ein König nicht jemandem das Siegel seines Ringes anvertraut, außer wegen irgendeiner großen Tat, so wollte auch der Gekreuzigte, als er sein Volk retten wollte, jenem Stomachosus kein anderes Abzeichen zugestehen außer das Siegel seiner eigenen Stigmata.“

Über die Leugner des Portiunkula-Ablasses

Noch einmal sprach zu ihm der Priester: „Was wird mit denen sein, die jenem Ablass abschätzig gegenüberstehen und viele davon zurückhalten, dorthin zu gehen, sowie es viele Ordensleute und viele andere tun?“ Da antwortete der Dämon: „Besser wäre es für sie, sie zögen einen Esel am Schwanz von Ravenna bis nach Mailand, denn über diese machen wir einen größeren Fleischmarkt in der Hölle, als es über das Kleinvieh und die anderen Tiere von Bologna geschieht.

Dämonischer Gestank in der Ruhe-Kammer

Danach aber wollten sich der Priester und seine Gefährten zur Ruhe begeben. Und als sie sich der Kammer näherten, wo sie zu liegen hatten, sagten sie mit großer Abscheu: „Wir nehmen einen großen Gestank wahr.“ Auf der Stelle antwortete der Dämon mit großem Lachen: „Wundert euch nicht darüber, denn in jener Kammer haben sich alle Dämonen von jenem Geschäft in der Gestalt verschiedener Tiere versammelt, um vielleicht irgendwas gewinnen zu können zusammen mit denjenigen, die zum Ablass gekommen sind.“ Dadurch aber, dass jene Männer mit großer Glut des Glaubens über jene Dämonen das Zeichen des Gekreuzigten machten, schlugen sie diese selbst samt ihrem Gestank gänzlich in die Flucht.

 

Ende des Geschehens vom 22.2.1308.

Ein halbes Jahr später:

Um zu verstehen, warum im Folgenden einige Dominikaner behaupten, den Portiunkula-Ablass gäbe es in Perugia, muss man wissen - wie an anderer Stelle dieses Werkes erzählt -, dass sich Papst Honorius dem heiligen Franziskus in Begleitung der Kurie von Perugia gezeigt hat, als er ihm den Ablass mündlich zusagte. Es folgt der Bericht:

Streit bei den Dominikanern um die Wahrheit des Portiunkula-Ablasses

Als im folgenden August desselben Jahres derselbe Priester von besagtem Ablass in Sancta Maria de Angelis (Potiunkula) zurückkehrte, reiste er durch Ravenna. Und als er dort hingekommen war, führte ihn einer seiner Gefährten zusammen mit seinen übrigen Gefährten zum Ort der Prediger- Brüder (Dominikaner). Bei Betreten des Klosters aber fanden sie dort 16 Brüder vor, die sich einander unterredeten. Als diese sie gefragt hatten, woher sie kämen, antworteten sie mit den Worten: „Wir sind nach Assisi um den Ablass gegangen und jetzt kehren wir nach Bologna zurück.“ Da sagten irgendwelche der Prediger-Brüder: „Der heilige Franziskus war zwar ein guter Mensch, aber wir wissen nicht, ob der Ablass wahr ist, den es dort geben soll.“ Auf der Stelle antwortete einer jener Prediger-Brüder: „Wenn es wahr ist, dass es einen Gott im Himmel gibt, dann ist auch jener Ablass wahr. Wenn er aber nicht wahr ist, dann gibt es auch keinen Gott im Himmel.“ Aufgebracht gegen diesen sagten dann andere Prediger: „Wie sprichst du doch albern und wie weißt gerade du das?“ Da antwortete jener Prediger: „Ich weiß das durch zuverlässige Zeugnisse, die ich von denjenigen vernommen habe, die anwesend waren, als der selige Franziskus ihn von Papst Honorius erhalten hat.“ Da der vorhin erwähnte Priester sah, dass jene Prediger so aufgebracht gegen den waren, der die Wahrheit gesagt hatte, sagte er ihnen: „Warum seid ihr so erregt und steht diesem wahren Ablass so abschätzig gegenüber, haben sich doch die Minderbrüder (Franziskaner) nicht auf den eingelassen, von dem ihr sagt, es gebe ihn in Perugia?“ Da antwortete ein Prediger-Bruder: „Alle Brüder (präzisiert im Codex Assisiensis: Prediger-Brüder) von Perugia, die sagen, dass dort jener Ablass sei, lügen durch die Kehle, weil ja dort der Ablass so ist, wie die Straßen der Stadt entlang. Aber sie selbst haben das eingeführt, einzig deswegen, um jenen zu vernichten, den es wahrhaftig in Sancta Maria de Angelis gibt.“ Daraufhin echauffierten sich jene anderen Prediger noch heftiger und erhoben sich alle aufgebrachten Gemütes, wichen zurück und drohten jenem vorhin erwähnten Bruder und sagten: „Zu deinem Verderben hast du diese Worte hervorgebracht.“

Die Geschichte über Santesas Dämon wendet das Blatt

Als der vorhin erwähnte Priester das hörte, rief er sie und sagte: „Kommt und hört eine einzige sehr bemerkenswerte Äußerung, die ich in diesem Jahr von diesem Ablass da festgehalten habe.“ Nachdem sich alle ihm zugewandt hatten, die zurückgewichen waren, erzählte der nämliche Priester die ganze obenerwähnte Geschichte, sowie er sie von jenem bösen Geist im selben Jahr im Kopf hatte. Jene Prediger aber waren über das, was vom Priester gesagt wurde, stark erschrocken und getroffen. Und sie sagten dem Priester und seinen Gefährten: „Wir nun glauben jetzt wahrlich, dass der Ablass von Schuld und Strafe dort wahr ist, sowie Ihr es sagt; und dass das in der ganzen Stadt gepredigt werden muss.“ „Warum dann steht ihr dem Heil so vieler Seelen im Weg, indem ihr sie von einem so großen Gut wegzieht und diesem Ablass Abbruch tut?“ Da antworteten jene Prediger mit den Worten: „Wir nun versprechen Gott und dir, dass wir niemals mehr jemanden von diesem Ablass wegbringen oder zurückhalten, sondern wie viele auch immer wir zu selbigem dort hinführen können, getreu hinführen werden.“

Zum Zusammenhang zwischen dem Ablass, den Stigmata des heiligen Franziskus und seinem Orden

Mit dem vorhin Gesagten wird also die Wahrheit dieses Ablasses ersichtlich. Es liegt auch vor Augen, auf welche Weise die Stigmata des seligen Franziskus ein Siegel dieses heiligen Ablasses sind. Und sowie es durch die Kirche beglaubigt ist, dass die Stigmata dem seligen Franziskus innewohnen, wie in Gleichförmigkeit 3, Buch 3, Teil 2, gesagt werden wird, so muss man daran festhalten, dass dieser Ablass wahr ist. Vieles vom oben Gesagten wird aufgrund der Beschaffenheit und der Erhabenheit des Ordens des heiligen Franziskus ersichtlich. Darüber wird in Buch 3, Gleichförmigkeit 7, gesprochen werden.

Anmerkung: Die Wichtigkeit solcher Zeugnisse

Gerade der Streit bei den Dominikanern ein halbes Jahr nach dem Gespräch mit Santesas Dämon zeigt uns, wie wichtig auch von Dämonen gegebene Zeugnisse sind. Dieses Zeugnis entschied den Streit über den Portiunkula-Ablass zugunsten der Wahrheit desselben. Gott hätte die Wahrheit dieses Ablasses auch dadurach herausstellen können, dass Papst Honorius dies schriftlich mit Siegel bestätigt hätte. Und unser Glaube verlangt, dass wir dies dem Stellvertreter Christi dann auch abnehmen. Ohne schriftlichen Beleg aber war man auf Aussagen von Menschen angewiesen, die, wie wir hier gesehen haben, auch lügen können. Und letztlich entscheiden dann übernatürliche Zeugnisse. Nach dem Dämonen-Zeugnis folgt dann bei Bartholomäus von Pisa das Zeugnis der Armen Seelen.

Gerade in der heutigen Zeit macht man es sich viel zu einfach, wenn man von den Menschen verlangt, auf die Lehre der Kirche allein zu achten, wie sie in guten Katechismen steht, und dabei hinzuzufügen, dass Marienerscheinungen nicht zum verpflichtenden Glaubensgut der Kirche gehören und man auf Dämonen, die doch "nur lügen", ohnehin nicht hören sollte. Unter dem Zwang durch Jesus Christus oder einen Priester müssen nämlich auch Dämonen die Wahrheit sagen.

Wie denn bitteschön soll der Laie, der das Wort 'Katechismus" nicht einmal mehr noch kennt, weil es von den meisten Priestern nicht mehr in den Mund genommen wird, wissen, wo die wahre Lehre steht, vor allem aber, warum diese denn wahr ist. Gibt es doch so viele andere schlaue Köpfe, die ganz anders lehren. Da jetzt zu verlangen, die Menschen sollten einfach so mir nix dir nix etwa zur Piusbruderschaft gehen, da dort die wahre Lehre noch verkündet wird, ist nicht nur eine Verachtung der Natur des Menschen, sondern ebenso eine Verachtung der christlichen Mission, die doch alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen sollte, um die Menschen zum wahren Glauben zu führen.

Gott gibt uns immer wieder übernatürliche Zeugnisse, die den suchenden Menschen aufhorchen lassen, und man muss sie dringend ernst nehmen. Freilich mischt da auch der Böse mit, etwa durch falsche Marienerscheinungen, die dann die echten mit in den Dreck ziehen. Aus diesem Grund will ich ausgehend von dieser Seite Klarheit über echte und trügerische Marienerscheinungs-Orte verschaffen. Aber auch Dämonengeschichten wie diese und die gleich folgende bringe ich. Beide und noch weitere, die ich bringen werde, stehen in einem zuverlässigen, vom Franziskaner-Orden anerkannten Werk.

Das spektakuläre Ausfahren eines Portiunkulaablass-Testdämons

Hier folgt ein leider viel zu wortkarger Bericht über das spektakuläre Ausfahren eines anderen Dämons, der den Portiunkula-Ablass zu testen beauftragt war. Santesas Dämon hat uns ja bereits gesagt, dass er vier Tage vor ihrem Tod von Frau Santesa getrennt wird.

Die Portiunkula-Kapelle mit dem Fresko von Friedrich Overbeck. Die sie umgebende Basilika Sancta Maria de Angelis wurde erst soäter, auf Geheiß Papst Pius V., errichtet (Bauzeit: 1569-1679).

Als authentisch erweist sich dieser Ablass auch durch ein anderes Zeugnis eines Dämons, das sich durch dessen Austreibung aus einem Menschen mittels dieses Ablasses offenbart hat. In Marken "in Prorico“ wurde eine gewisse Frau, und zwar die Schwester eines gewissen Bruders von uns, von Dämonen gequält, und sie las (?) Urkunden (?) wie ein Notar („et instrumenta legebat, ut notarius“). Als der Teufel gefragt wurde, warum er sie so quäle, antwortete er, dass er dies nicht wegen irgendeiner Todsünde, die in ihr sei, tue, sondern, um zu klären, wie groß der Ablass der heiligen Maria von Portiunkula sei, wo eine dorthin geführte Frau durch die Verdienste der seligen Jungfrau und des Ablasses und durch kein anders Heilmittel der Heiligen zu befreien sei. Zudem äußerte er: „Dies zu sagen werden wir gezwungen zum Lob der Jungfrau, zum Nutzen des Volkes und zu unserer Verwirrung, weil wir durch diesen Ablass alle Seelen verloren haben, die wir gewonnen und lange Zeit in Besitz hatten.“ Und er fügte hinzu: „Oje! Oje!, unsere Zurückhaltung und Gefährlichkeit werden wir gezwungen auszuplaudern , von der diejenigen, die sie predigen müssen, nicht predigen.“  Und weiter sagte er, dass der Ablass sogar größer wäre, als gesagt und geglaubt wird. Die Frau selbst, so gequält, nach Assisi geführt, gewaltsam hineingeführt in die Sancta Maria de Angelis just am Tag des Ablasses, vom Teufel bis zum Kuppeldach emporgehoben und auf den Estrich-Boden geworfen, sodass sie tot geglaubt wurde, gesund stand sie auf und befreit.

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