Titelbild: Mitte: Jesus Christus in der Hagía Sophía in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul.
(Der Fettdruck und die Unterstreichungen bezeichnen hier die Betonung. Das Wort "hagia" ("heilige") höre ich stets auf der ersten Silbe betont. Doch man betont es genauso wie das Wort "sophia" ("Weisheit") auf der zweiten Silbe. Das Nominativ-"a" am Ende von "hagia" ist nämlich bei diesem Adjekiv in der A-Deklination ein Langvokal, welcher die Betonung auf der drittletzten Silbe verunmöglicht.)
Links: Die griechischen Buchstaben Iota und Sigma als erster und letzter Buchstab des Namens Jesous. Die Wellenlinie darüber bezeichnet die Abkürzung, sagt uns, dass wir zwischen diesen beiden Buchstaben einige Buchstaben zu ergänzen haben. Der Bogen nach unten über dem Sigma und der Wellenlinie (also oben rechts) ist ein Zirkumflex, der uns erstens die Endbetonung des Wortes Jesous verrät, zugleich aber auch sagt, dass die Melodie von einem Hochton zu einem weniger hohen Ton (auf dem langen Schlussvokal "ou" = "u") etwas niedergezogen wird.
Rechts: Die griechischen Buchstaben Chi und Sigma als erster und letzter Buchstabe des Beinamens Christos (= Gesalbter = Messias). Die Wellenlinie darüber ist wiederum das Abkürzungszeichen, welches besagt, dass zwischen diesen beiden Buchstaben was zu ergänzen ist, während der Akzent auf dem Sigma wiederum die Endbetonung, dieses Mal aber in einem einzigen Hochton (beim Vokal "o", ein Kurzvokal übrigens) anzeigt.
Die Grundlage des Textes ist der Brief des heiligen Paulus an die Römer. Da heiß es in Röm 14,8:
Leben wir, so leben wir dem Herrn,
sterben wir, so sterben wir dem Herrn.
Ob wir leben oder ob wir sterben,
wir gehören dem Herrn.
In der in nachfolgender Tabelle rechts oben stehenden ersten Strophe hat aber Martin Luther diese Schriftstelle nicht ganz korrekt im Lied umgesetzt, und die kaholische Kirche hat das dennoch kritiklos übernommen. Die erste Strophe endet dort nämlich mit "Jesus, dein bin ich im Leben und im Tod" anstatt, wie es der Bibeltext nahelegt, mit "im Leben und im Sterben". Die Sterbestunde, heute leider auch meist Todesstunde genannt, ist ja die wichtigste im Leben jedes Menschen, denn am Ende des Sterbens des Leibes entscheidet sich das ewige Schicksal des ganzen Menschen, seiner Seele und seines Leibes, wobei Letzterer es erst am Jüngsten Gericht erfährt. Da wird dann der Leib auferweckt, zur Seligkeit des Himmels oder zum Bestraftwerden in der Hölle. Welchen Nutzen hat es nun, wenn wir Jesus den verwesten Leib die lange Wartezeit bis zum Jüngsen Gericht anempfehlen? Wir verfügen da ohnehin nicht mehr über ihn. Die Seele aber stirbt nie. Also wäre es doch viel vernünftiger, wenn man besagter Schriftstelle entsprechend sagte: "Jesus, dein bin ich im Leben und im Sterben." Und in diesem Sinne übertrage ich das Lied ins Lateinische.
Die erste deusche Strophe des deutschen Textes in der rechten Spalte geht auf Martin Luther zurück. Von der zweiten Strophe haben wir die Angabe "Stuttgart 1838". Die dritte und vierte Strophe habe ich den Gesangbüchern der Erzdiözese München und Freising entnommen, dem Gottesdienst von 1958 (Nr. 124) und dem gleichen Text im Diözesanteil des 1975er Gotteslobs (Nr. ???). Man beachte, dass die dritte deutsche Strophe vor der zweiten steht. Ich habe nämlich in meiner lateinischen Reimübertragung die zweite und dritte Strophe vertauscht, da das Geführtwerden in die ewige Seligkeit ein guter Übergang zur vierten und letzten Strophe ist.
Martin Bachmaier 2022 | Wörtliche Übersetzung ins Deutsche | GD 124 München Freising | ||
1. | Iesu, iam vivo corpori divo. Sum tuus (tua) vivens et obitu conivens: |
Jesus, nunmehr lebe ich deinem göttlichen Leib. Ich bin der (die) Deine lebend und im Heimgang die Augen schließend. |
1. | Jesus, dir leb' ich, Jesus, dir sterb' ich, Jesus, dein bin ich im Leben und im Tod! |
2. | Iesu, fac, credam, me tibi dedam, spe vescar late. Fac, flagrem caritate. |
Jesus, mach, dass ich glaube, mich dir hingebe. von der Hoffnung mich nähre reichlich. Mach, dass ich lodere von Liebe. |
3. | Jesus, gib Glauben, stärk' meine Hoffnung, Jesus, schenk' Liebe und Treue bis zum Tod! |
3. | Iesu, cor fulgens tendas indulgens. Dans te placatum me ducas in beatum. |
Jesus, (dein) strahlendes Herz mögest darreichen als Nachsichtiger. Gebend dich besänftigt mögest mich führen in die Seligkeit. |
2. | O sei uns gnädig, sei uns barmherzig, führ' uns, o Jesus, in deine Seligkeit! |
4. | Laudibus cultis, gratibus multis, Iesu divine, te cano sine fine. |
Mit veredelten Lobliedern, mit viel Dank, göttlicher Jesus, besinge ich dich ohne Ende. |
4. | Jesus, dir dank' ich, Jesus, dich preis' ich, Jesus, dich lob' ich jetzt und in Ewigkeit. |
"corpori" (wir sollen ja der mystische Leib Christi sein) statt "tibi". "tibi" wird aber in "fac … me tibi dedam" nachgeholt. Kommunion.
In der Dichtung hat "tendo" auch alle Bedeutungen der Komposita zu diesem Wort (contendo, ostendo, …), hier wohl am besten in der Bedeutung von "ostendo" übersetzbar.