Bild links: "Verkündigungsengel" von Fra Angelico. Quelle: Wikipedia.
Bild Mitte: "Das Christuskind" von Melchior Paul von Deschwanden (1881). Quelle: Wikipedia.
Bild rechts: Die Muttergottes von La Salette. Cover der CD "Chante Marie".
Punktlich zum 60. Jahrestag des Élysée-Vertrages zur deutsch-französische Freundschaft, der am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast unterzeichnet wurde, soll hier eine französische Gesangsversion des Angelus (Engel des Herrn), die es auch auf Deutsch gibt, in der gemeinsamen Sprache des Heiligen Römischen Reiches, Latein, erscheinen. Es wird vorwiegend im kirchlich anerkannten Marienerscheinungsort La Salette (Frankreich) gesungen.
Den Text habe ich leider nicht gefunden. Er beginnt, wie in der Überschrift erwähnt, mit "L'ange de Dieu" ("Der Engel Gottes"), und der Refrain beginnt mit "Je vous salue" ("Ich Euch grüße"). Dabei ist "vous" ("Euch") die Höflichkeits-Anrede, die im Französischen auch in Gebeten benutzt wird. Hier das Lied zum Anhören:
Lateinischer Text |
Wörtliche Übersetzung |
Martin Bachmaier 2023 | |
1 . S t r o p h e |
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Angelus domini nuntiavit |
Der Engel des Herrn verkündigte |
R e f r a i n n a c h j e d e r S t r o p h e | |
Salve per nos, |
Sei gegrüßt durch uns, |
2 . S t r o p h e |
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Dixerat: "Ecce, sum destinata |
Sie hatte gesagt: "Siehe, ich bin die bestimmte |
3 . S t r o p h e |
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Caro quod verbum responso factum |
Fleisch dieses Wort durch die Antwort geworden |
4 . S t r o p h e |
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Cruce dum patitur membris unctis, |
Am Kreuz während es litt an seinen gesalbten Gliedern, |
+ + + |
1. | Im Gegensatz zum französischen und deutschen Text ist der lateinische Text durchgehend ein Syllabismus; jedem Ton ist exakt eine Silbe zugeordnet. |
2. | Ebenfalls im Gegensatz zum französischen und deutschen Text ist im lateinischen Text jede Strophe, also auch die vierte, in der Erzählform und nur der Raifrain als direkte Anrufung der Gottesmutter geschrieben. |
3. | Die Metrik ist gemäß dem musikalischen Rhythmus akzentuiert. |
4. | Um sicherzustellen, dass klassische und mittellateinische Aussprache zur gleichen Silbenzahl fürhren, wurde jeglicher Hiat vermieden, d.h. innerhalb eines Verses (hier sogar innerhalb des ganzen vierstrophigen Liedes) folgt auf kein mit Vokal(+m) endendes Wort ein mit (h+)Vokal beginnendes Wort, sodass an den Wortgrenzen keine Verschmelzungen entstehen können. |
5. | Mit Ausnahme der zweiten Hälfte der ersten Strophe, wo den Fachausdrücken "spiritus" und "sanctus" der Vorzug gegeben wurde, sind alle Silben bei einer Achtelnote offen, falls sie einen Langvokal besitzen. Wäre eine solche Silbe geschlossen, würde die Zeit zum Aussprechen des Langvokals fehren. |
6. | Den vier Silben am Ende des Refrains ("con-fir-mes nos") stehen (mindestens) drei Achtelnoten zur Verfügung, haben deswegen auch alle einen Langvokal und sind zudem geschlossen, also besonders lang. |
7. | Das Intensivum zu "concipio", "concepto", ist erst im Spätlatein belegt. |
8. | Das Adjektiv "dius" statt "divus" wird von Horaz (ohne Metriknot) benutzt. |
9. | In Strophe 3 ist "insitum" ein Supin I nach dem Verb "venio" der Bewegung. |
10. | Bei Gleichzeitigkeit, also in der Bedeutung von "während", steht nach "dum" (4. Strophe) unabhängig vom Tempus des Hauptsatzes immer Präsens. |