Die Nichtexistenz eines Petrus Romanus in der Malachiasweissagung

Philipp Neri, der Seher der Weissagung

Die sog. Malachias-Weissagung geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf den heiligen Philipp Neri zurück. Dies wusste noch Lorenzo Ganganelli, der spätere Papst Klemens XIV.
Auf Wikipedia erwähnte ich vor allem aber die Fähigkeit Philipp Neris, Päpste vorherzusagen. So berichtet etwa Antonio Gallonio aus den Acta Sanctorum[19] des Monats Mai in Band VI auf Seite 507:

„Folgendes Erstaunliches möchte ich über den seligen Vater hinzufügen: fast immer, wenn der päpstliche Stuhl seines Hirten verwaist war, hörte er, mal im Schlafe, mal in wachem Zustand den Namen dessen, der zum Papst erwählt werde mit ganz lauter Stimme verkündet werden; er hatte die Gewohnheit, diese Tatsache nur ganz wenigen Menschen anzuvertrauen.“

Und sein Biograph Girolamo Branabei berichtet auf Seite 599 dieser Acta Sanctorum:

„Philipp sah fast alle Wahlen der zukünftigen Päpste durch göttliche Eingebung voraus.“

Dass Philipp Neri exakt in dem Jahr 1595, wo diese Prophezeiung in Lignum Vitae veröffentlicht wurde, gestorben ist, ist ein weiteres Indiz für seine Urheberschaft, denn Philipp Neri legte keinen Wert auf eigenen Ruhm und verbrannte all seine Dokumente vor seinem Tod, anstatt sie zu veröffentlichen.

Erfundene und Original-Sinnsprüche

Nun darf man sich aber die von ihm gar nicht angeordnete Veröffentlichung seiner "Malachias"-Prophezeiung nicht in nüchtener, nackter Form vorstellen. Sie sollte ja in helles Licht gesetzt werden. Und so erfolgte eben die Veröffentlichung mit unzähligen Hinweisen der Teilerfüllung, damit sie Aufmerksamkeit errege. Dabei genügte es den Publizierern nicht einmal, die nach Pius V. und während seiner Lebenszeit bereits eingetroffenen drei Sinnsprüche gut zu interpretieren, nein: sie fügten der Liste noch sage und schreibe 71 Sinnsprüche nach vorne hinzu und mussten sie damit einem viel früheren Propheten zuordnet. Herhalten musste der irische Bischof Malachias, der nachweislich in Rom war und eine prophetische Gabe hatte.

Natürlich waren die 71 erfundenen Sinnsprüche von geradezu beschämend formaler Natur. Sie spielten auf Namen, Wappen, Herkunft und Titelkirche an. So hieß etwa der Sinnspruch zu Papst Urban III. "Sus in cribro" ("Sau im Sieb"), weil er aus der Familie der Crivelli stammte und ein Schwein im Wappen hatte.

Der vom Seher Philipp Neri stammende Sinnspruch für Benedikt XVI. heißt dagegen nicht "Rattus niger de foro" ("schwarze Ratte vom Markt"), obwohl doch Benedikt Ratzinger hieß und damit an die Ratte (bairisch: "Ratz") erinnert, er einen Mohr im Wappen führt und in Marktl am Inn geboren ist. Nein, sein Sinnspruch heißt: "Gloria olivae" ("Ruhm der Olive" (Ruhm dem/des Ölbaum(s))), weil wahrscheinlich der Triumph der heiligen Kirche in sein Pontifikat fallen wird. Mit Namen, Wappen, Herkunft oder Titelkirche lässt sich dagegen so ein Sinnspruch schwer interpretieren.

Aber auch nach hinten sollte gesorgt sein, natürlich nicht durch Hinzuerfinden neuer Sinnsprüche, ging man doch davon aus, das Philipp Neri alle Päpste vor dem Ende der Welt vorhergesagt hat.

Der letzte Sinnspruch und der Petrus Romanus

Stichwort "Ende der Welt". Das muss man ausschlachten! Da haben wir doch Infos aus der katholischen Lehre und der Offenbarung des Johannes. Also sollte es nicht schwer sein, den Sinnspruch zum letzten Papst zu interpretieren. Der Sinnspruch heißt "In persecutione extrema Sanctae Romanae Ecclesiae sedebit." ("In äußerster Verfolgung der heiligen römischen Kirche wird er thronen.") Der letzte Papst also. Den kann man interpretieren.

Zuerst aber folgt doch immer der Papstname. So haben wir es doch bei den ersten 74, nein sogar 77 Päpsten auch gemacht. Ja, wie wird er denn heißen? Petrus halt. Heißt der erste so, dann auch der letzte. Also Petrus II.? Bitte etwas vorsichtiger! Sollte sich in der Zwischenzeit vielleicht doch noch einer Petrus nennen, dann wäre es ja mindestens Petrus III.! Lassen wir die Ziffer weg! Schreiben wir "Romanus"; das ist immer richtig, denn jeder Papst ist römischer Bischof. Bist du sicher, dass er sich wie der erste Papst Petrus nennt? Ist doch egal. Petrus passt immer. Jeder Papst ist ein Petrus. Man spricht ja auch vom Petrus-Amt und vom Stuhl Petri, nicht wahr? Na gut, offizielle Ausdrücke sind das zwar nicht, aber lassen wir gelten.

Und dann die Interpretation: Die Verfolgung interpretieren wir durch die vielen Trübsale, die äußerste dadurch, dass wir auf die Zerstörung der Siebenhügelstaates und das Ende der Welt und das Jüngste Gericht verweisen. Das macht einen schaurigen Eindruck. Aber wird denn die Siebenhügelstadt Rom überhaupt zerstört? Wer sagt denn Rom? Kann doch auch die Hure Babylon auf sieben Hügeln sitzend gemeint sein! Sehr gut, können wir also nicht falsch liegen.

Und doch lag man falsch. Erstens ist Franziskus nicht das rechtmäßige Oberhaupt der Kirche und zweitens folgt mit dem Ende der von Philipp Neri vorhergesagten, in der Sixtinischen Kapelle gewählten Päpsten noch lange nicht das Ende der Welt und das Gericht.

Schlussbemerkungen und Links

Wer die Zweiteilung der Sinnsprüche in erfundene und prophetische nicht glauben will, weil er am Propheten "Malachias" festhalten will, soll meinen ganzen Artikel im Wikipedia-Projekt hier ansehen. Ich habe dort auch die ersten 71 Sinnsprüche samt Interpretationen in einer rötlichen Tabelle zusammengefasst und ins Deutsche übersetzt und kenne daher den primitiven Formalismus dieser Sinnsprüche.

Wer mir nicht glauben will, dass es sich mit "Petrus Romanus, der die Schafe in vielen Trübsalen weiden wird..." nur um einen Zusatz (Papstnamen und Auslegung) handelt, sollte erst mal wissen, dass die Petrus-Romanus-Gläubigen zunächst mal Punkt und Absatz zwischen dem Sinnspruch "In persecutione..." und dem Zusatz "Petrus Romanus, qui pascet" schlichtweg übersehen haben und Sinnspruch und Auslegung zu einem einzigen Satz zusammengezogen haben. Wenn "Petrus Romanus" zur Prophetie gehörte, bezöge er sich also nicht auf Franziskus, sondern auf den nächsten Papst.

Sowohl inhaltlich als auch dem Stile nach entspricht er aber dem Papstnamen mit hinzugefügter Auslegung. Dass es sich inhaltlich um eine Auslegung handelt, darauf bin ich ja bereits hier eingegangen. Dass auch die Form dem Auslegungsstil gleicht, kann man leicht erkennen, wenn man sich nur die farbige Tabelle auf meinem Artikel Malachiasprophezeiung und Petrus-Romanus-Narretei ansieht.

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