Der Abendhymnus Audi benigne conditor ist in einen jambischen Dimeter gefasst. Jeder solche Vers besteht aus zwei jambischen Metren, wobei jedes dieser Metren aus zwei Versfüßen besteht. Dabei muss der erste ein Spondeus (— —) oder ein Jambus (◡ —), der zweite jedoch verpflichtend ein Jambus (◡ —) sein. Die Versmetrik sieht dann so aus:
×—ˌ◡—.×—ˌ◡◠
Dabei steht × für eine beliebige, — für eine lange und ◡ für eine kurze Silbe. Das letzte Zeichen ◠ bedeutet, dass die letzte Silbe, sollte sie kurz sein, lang gebraucht wird, also stets lang ist. Das kleine Tiefkomma trennt die zwei Versfüße eines Metrums, der Punkt die beiden Metren.
Lateinischer Original-Text | Übersetzung ins Deutsche | |
1. Str. | Audi, benigne conditor, nostras preces cum fletibus in hoc sacro jejunio fusas quadragenario. |
Höre, gütiger Gründer, unsere Gebete begleitet mit Weinen, in diesem heiligen Fasten hingebreitet, dem 40tägigen. |
2. Str. | Scrutator alme cordium, infirma tu scis virium; ad te reversis exhibe remissionis gratiam. |
Erhabener Durchforscher der Herzen, das Schwache der Kräfte du kennst; den zu dir Zurückgekehrten gewähre der Vergebung Gnade. |
3. Str. | Multum quidem peccavimus, sed parce confitentibus, tuique laude nominis confer medelam languidis. |
Viel freilich haben wir gesündigt, doch schone uns Beichtende; und durch deines Namens Lob lass angedeihen Heilung uns Trägen. |
4. Str. | Sic corpus extra conteri dona per abstinentiam, ieiunet ut mens sobria a labe prorsus criminum. |
Also, dass unser Leib außen zerrieben werde, schenke durch unsere Enthaltsamkeit, damit faste eine nüchterne Gesinnung ungebunden von der Schande unserer Vergehen. |
5. Str. | Praesta, beata Trinitas, concede, simplex Unitas, ut fructuosa sint tuis haec parcitatis munera. |
Gewähre und das, selige Dreifaltigkeit, gesteh uns das zu, unvermischte Einheit; damit fruchtbar seien den Deinen diese Sparsamkeits-Leistungen. |
Guido Maria Dreves und Clemens Blume schreiben in ihrem Werk "Ein Jahrtausen lateinischer Hymnendichtung - eine Blütenlese aus den Analecta Hymnica mit literarhistorischen Erläuterungen", Leipzig, O. R. Reisland, 1909):
"Jedenfalls ein altchristlicher Hymnus, wenn auch die Quellen nicht über das zehnte Jahrhundert hinaufreichen. Das Metrum ist ersichtlich gewahrt, daher 3, 3 die gewöhnliche Lesart Ad laudem tui nominis (in der Korrektur Urbans VIII: Ad nominis laudem tui) wohl nicht die ursprüngliche; der Reim verschiedentlich angestrebt, nur in einer Strophe durchgeführt."
Ob nun die Version "tuique laude nominis" oben in der tabellarischen Darstellung der Urfassung entspricht, weiß ich nicht. Sie ist jedenfalls, wie auch Urbans VIII. Korrektur, metrisch korrekt. Dahingegen weist die von Papst Urban korrigierte "gewöhnliche Lesart" "Ad laudem tui nominis" ("Zum Lobe deines Namens") sogar zwei Metrikfehler (3. und 4. Silbe) auf und kann somit aufgrund der sonstigen metrischen Korrektheit des Hymnus nicht der Urfassung entsprechen.
In den Texten des nachfolgend verlinkten Parce domine steht als vierte Strophe die erste des Audi benigne conditor und oft noch als fünfte Strophe die zweite des Audi benigne conditor. Beide Dichtungen passen hinsichtlich des Versmaßes auch zusammen, denn dieses ist jeweils ein jambischer Dimeter in der im Altertum üblichen quantitierenden Metrik.