Die Heilig-Geist-Bilder": Bildstock in der Pfarrkirche Rodeneck. Photo/Lizenzinhaber: Wolfgang Moroder.
Lateinischer Text | Deutsche Übersetzung | Heinrich Bone 1847 | |
1. | Veni, Sancte Spiritus, et emitte caelitus lucis tuae radium. |
Komm, Heiliger Geist, und entsende vom Himmel deines Lichtes Strahl. |
Komm, o Geist der Heiligkeit, aus des Himmels Herrlichkeit, sende seines Lichtes Strahl! |
2. | Veni, pater pauperum. Veni, dator munerum. Veni, lumen cordium. |
Komm, Vater der Armen! Komm, Geber der Gaben! Komm, Licht der Herzen! |
Vater aller Armen Du, aller Herzen Licht und Ruh’, komm mit Deiner Gaben Zahl! |
3. | Consolator optime, dulcis hospes animae, dulce refrigerium. |
Bester Tröster, lieblicher Gast der Seele, liebliche Erfrischung! |
Tröster in Verlassenheit, Labsal voll der Lieblichkeit, komm, du süßer Seelenfreund! |
4. | In labore requies, in aestu temperies, in fletu solatium. |
In der Mühe (bist du) Ruhe, in Erregung Mäßigung, im Weinen Trost. |
In Ermüdung schenke Ruh’, in der Glut hauch Kühlung zu, tröste den, der trostlos weint! |
5. | O lux beatissima, reple cordis intima tuorum fidelium. |
O seligstes Licht, erquicke das Herzensinnere deiner Gläubigen! |
O du Licht der Seligkeit, mach dir unser Herz bereit, dring in unsre Seelen ein! |
6. | Sine tuo numine nihil est in homine, nihil est innoxium. |
Ohne dein Wirken ist nichts im Menschen, ist nichts unschuldig. |
Ohne dein lebendig Wehn nichts im Menschen kann bestehn, nichts ohn’ Fehl und Makel sein. |
7. | Lava quod est sordidum. Riga quod est aridum. Sana quod est saucium. |
Wasche, was schmutzig ist! Bewässere, was trocken ist! Heile, was verwundet ist! |
Wasche, was beflecket ist, heile, was verwundet ist, tränke, was da dürre steht! |
8. | Flecte quod est rigidum. Fove quod est frigidum. Rege quod est devium. |
Beuge, was starr ist! Wärme, was kalt ist! Lenke, was vom Weg weg ist! |
Beuge, was verhärtet ist, wärme, was erkaltet ist, lenke, was da irregeht! |
9. | Da tuis fidelibus in te confidentibus sacrum septenarium. |
Gib deinen Gläubigen, den auf dich vertrauenden, das heilige Siebenfache! |
Heil'ger Geist, wir bitten dich, gib uns allen gnädiglich deiner Gaben Siebenzahl. |
10. | Da virtutis meritum. Da salutis exitum. Da perenne gaudium. |
Gib der Tugend Verdienst, Gib des Heiles Ausgang, Gib beständige Freude. |
Spende uns der Tugend Lohn, lass uns stehn an deinem Thron, uns erfreun im Himmelssaal! |
Der Text folgt im Wesentlichen einer akzentuierenden trochäischen Metrik. Diese wird aber an vier Stellen nicht eingehalten, nämlich zum einen in Strophe 4, Vers 2 und 3. Hätte man etwa "aestu tu" bzw. "fletu tu" (statt "in aestu" und "in fletu") geschrieben, dann wäre die trochäische Metrik gewährleistet gewesen.
Etwas seltsam wirkt Strophe 5 in Vers 3, denn der klassische Lateiner verwendet Possesiv-Pronomina wie "tuorum" ("deiner" Gläubigen oder Getreuen) nur selten; deshalb ist ja Latein die kürzeste Sprache der Welt. Hätte man anstatt "tu-o-rum" etwa "supplicum" ("der demütig bittenden" Gläubigen) geschrieben, so wären diese drei Silben zudem mit Sinn gefüllt worden.
Um die Rhythmik-Verletzung von Strophe 9, Vers 1, zu korrigieren, würde bereits eine simple Umstellung, "Tuis da fidelibus" statt "Da tuis fidelibus", ausreichen. Das Possisiv-Pronomen, "tuis", finden wir hier also noch einmal bei den Gläubigen. Da hätte man wenigstens das erste Mal darauf verzichten können.
Dennoch war im Mittelalter stets der sog. Cursus, ein Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben, als feierlicher Abschluss einzuhalten geboten. Und gerade deswegen finden wir bei mittelalterlichen Dichtungen immer nur am Anfang eines Verses Abweichungen vom Rhythmus.