Tietelbilder (v.l.n.r.): Murillo: die Unbefleckte Empfängnis; Rotkehlchen; Feuerlilie; Klosterglocke.
Das im lateinischen Text angegebene vierfache Singen des Gaude Maria bezieht sich auf einen einfachen Volksgesang, wie er im Gesang- und Gebetbuch "Segne Du Maria" der Gebetsstätte Heroldsbach steht, allerdings mit "Ave Maria" statt "Hauo Maria". Ein Chor oder ein Duo fügt hier diesem vierfachen Mariengruß noch ein weiteres Mal den Namen Maria an und singt ihn außerdem bei gleichzeitigem Singen der Strophen.
Martin Bachmaier 2025 | Wörtliche Übersetzung ins Deutsche | Franx Xaver Engelhart | ||
1. | Virginem canere nemo meretur. Angelus qua de re sic moduletur: [4]: Gaude Maria! :[4] |
Die Jungfrau zu besingen verdient sich niemand. Ein Engel möge darum so im Takt singen: [4]: Freu dich, Maria! :[4] |
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2. | Sin essem volucris, quam cantitarem! Mane iam populis significarem: [4]: Gaude Maria! :[4] |
Wenn ich aber ein Vogel wäre, wie würde ich da singen, singen! In der Früh schon den Völkern ich zu erkennen geben würde: [4]: Freu dich, Maria! :[4] |
2. | Wär' ich ein Vögelein, schön wollt' ich singen. Bis in das Herz hinein sollt' (soll) es erklingen: [4]: Ave Maria! :[4] |
3. | Sin essem lilium, nectar halarem. Dans eo nimium consalutarem: [4]: Gaude Maria! :[4] |
Wenn ich aber eine Lilie wäre, würde ich Nektar ausdünsten. Spendend davon im Übermaß würde ich gemeinschaftlich mitgrüßen: [4]: Freu dich, Maria! :[4] |
3. | Blüht' ich als Blümlein nur still dir zu Füßen, wollt' ich auf grüner Flur, Jungfrau, dich grüßen: [4]: Ave Maria! :[4] |
4. | Sin essem nolula, clare sonarem. Candida vocula cantum vulgarem: [4]: Gaude Maria! :[4] |
Wenn ich aber ein Glöcklein wäre, würde ich hell (in hohem Ton) läuten. Mit (meinem) metallreichen Stimmchen würde ich den Klang unters Volk bringen: [4]: Freu dich, Maria! :[4] |
1. | Wenn ich ein Glöcklein wär', laut wollt' ich läuten. Das sollte ringsumher allen bedeuten: [4]: Ave Maria! :[4] |
5. | Virgo propitia, me iam dignare summa laetitia tete cantare: [4]: Gaude Maria! :[4] |
Gnädige Jungfrau, mich nunmehr würdige, mit Herzensfreude gerade dich zu besingen: [4]: Freu dich, Maria! :[4] |
4. | Jungfrau, die Gott erhob, mög' dir gefallen, wenn ich zu deinem Lob, lasse erschallen: [4]: Ave Maria! :[4] |
Wie im Deutschen findet das Gedicht bereits nach sechs Silben, die in obiger Notation nicht nur einen Text bis zu einer Zäsur, sondern einen ganzen Vers bilden, einen Reim. Wegen des dakytlischen Endes dieses sechssilbigen Kurzverses fällt aber im Deutschen der Reim auf der letzten Silbe kaum auf. So beginnen manche Sänger die zweite Strophe mit "Wenn ich ein Vöglein wär'", was sich dann im Gegensatz zum "Vögelein"-Ende gar nicht mehr mit "hinein" reimt. Trotzdem stört dies offenbar nicht, weil dort die sich reimenden Endsilben allzu unbetont sind.
Um die Reime auch an den daktylischen Versenden merklich zu machen, habe ich den lateinischen Text so geschrieben, dass sie sich jeweils auf alle drei Silben der entsprechenden Daktylus-Versfüße beziehen, wobei sie natürlich an der ersten, also der betonten Silbe des Daktylus am besten hörbar sind. Solche Reime wären im Deutschen so gut wie unmöglich, waren aber auch im Lateinischen nur schwer hinzukriegen.
Die Metrik ist akzentuierend. Es werden aber auch die Silbenquantitäten insofern beachtet, als jede Silbe, die auf eine lange Note, hier eine Viertelnote, fällt, auch tatsächlich lang ist, und die vielen Silben, die auf eine kurze, hier eine Achtelnote, fallen, entweder kurz oder nur minimal-lang sind. Unter "minimal-lang" verstehe ich die folgenden zwei Typen von Silben. Diejenigen Silben, die einen Langvokal haben, müssen offen sein, dürfen also nicht durch Schließen mit einem oder mehreren Konsonanten noch länger gemacht werden. Und die Silben mit Kurzvokal müssen mit genau einem Konsonanten geschlossen sein, einen, damit die Silbe nicht kurz, sondern lang ist, aber nicht mehrere Konsonanten, damit sie eben nicht besonders lang wird.
Bereits die Beachtung dieser Quantitäten-Regel hat es verunmöglicht, das lateinische Grußwort "Ave" stehen zu lassen, denn das "a" von "ave" wird kurz gemessen und würde so zu einer kurzen Silbe "a" bei einer langen Note führen. Dem ist mit dem Grußwort "Gaude" abgeholfen, denn die Silbe "gau" ist wegen des Diphtongs und damit Langvokals "au" lang.
Aber auch die Vermeidung eines Hiats – zur Vermeidung von Silbenverschmelzung soll ja auf ein Wort, das mit Vokal(+m) endet, kein Wort folgen, das mit (h+)Vokal beginnt, folgen – machte die Ersetzung des "Ave" durch z.B. "Gaude" nötig. Bei "Ave Maria, ave Maria" wären ja in der Mitte zwei "a" aufeinandergestoßen.
Es sei darauf verwiesen, dass das lateinische "ave" als ein "Modewort" vom punischen "hauo" ("es lebe") kommt. Auch durch dieses hätte man "Ave" ersetzen können, wenn man nur zum Zwecke der Hiat-Vermeidung das Anfangs-"h" reaktiviert und es korrekt wie das arabische ح gehächelt ausspricht.
in der vierten Strophe habe ich den lateinischen Text bewusst so gewählt, dass die betonten Silben möglichst eine Ähnlichkeit mit dem stets gleichbleibenden Glockenklang "cla", "can", … haben.